f548ae0346f86f380e819c16_pa1837c.jpg Paul Lachine

Das Drama der Demokratie im Theater des Terrorismus

CAMBRIDGE – US-Präsident George W. Bush war bekannt dafür, die Förderung der Demokratie in den Mittelpunkt der amerikanischen Außenpolitik zu stellen. Mit seiner Rhetorik stand er nicht allein da. Die meisten US-Präsidenten seit Woodrow Wilson haben ähnliche Aussagen gemacht.

Daher war es auffällig, als US-Außenministerin Hillary Clinton in diesem Jahr gegenüber dem Kongress von den “drei D’s” der amerikanischen Außenpolitik sprach – Verteidigung (defense), Diplomatie und Entwicklung (development). Das “D” der Demokratie glänzte durch Abwesenheit, was ein Zeichen für eine grundlegende politische Richtungsänderung der Regierung von Präsident Barack Obama ist.

Sowohl Bill Clinton als auch George W. Bush sprachen oft von den sicherheitspolitischen Vorteilen der Demokratie. Sie zitierten sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, die besagen, dass Demokratien kaum jemals gegeneinander Krieg führen. Genauer gesagt haben Wissenschaftler gezeigt, dass liberale Demokratien fast nie gegeneinander Krieg führen. Tatsächlich könnte eine liberale Verfassungskultur entscheidender sein als die simple Tatsache freier Wahlen.

Freie und faire Wahlen sind zwar wichtig, aber zur liberalen Demokratie gehört noch mehr. Wahlen ohne konstitutionellen und kulturellen Rahmen können wie in Bosnien oder Palästina zu Gewalt führen. Und nicht liberale Demokratien haben genau genommen recht häufig gegeneinander Krieg geführt, wie beispielsweise Ecuador und Peru in den 1990er Jahren.

In den Augen vieler Kritiker im In- und Ausland wurde die Idee der Demokratieförderung durch die Exzesse der Bush-Regierung befleckt. Dass Bush als Grund für die Invasion des Irak die Demokratie anführte, legte die Ansicht nahe, dass Demokratie durch Gewalt etabliert werden könne. Demokratie wurde mit ihrer speziellen US-Variante gleichgesetzt und bekam einen imperialistischen Beigeschmack.

Darüber hinaus stand Bushs übertriebene Rhetorik oft im Widerspruch zu seinen Taten, was dazu führte, dass ihm Heuchelei vorgeworfen wurde. Es schien ihm leichter zu fallen, Simbabwe, Kuba und Burma zu kritisieren, als Saudi-Arabien und Pakistan, und er schwächte seine anfänglichen Vorwürfe gegen Ägypten schnell wieder ab.

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Darin, gegen die politischen Fehlschläge der Bush-Regierung überzureagieren, liegt jedoch eine Gefahr. Demokratie ist keine amerikanische Zwangsmaßnahme, sondern kann viele Formen annehmen. Sobald sich Volkswirtschaften entwickeln und sich die Menschen an Modernisierung gewöhnen, steigt das Bedürfnis nach größerer Mitbestimmung.

Außerdem ist die Demokratie keineswegs auf dem Rückzug. Freedom House, eine Nichtregierungsorganisation, bezeichnete zu Beginn der Bush-Jahre 86 Länder als frei, und am Ende seiner Amtszeit 89.

Demokratie bleibt ein weit verbreitetes und wertvolles Ziel, das von den Mitteln ihrer Förderung unterschieden werden sollte. Zwischen massiver Durchsetzung von Demokratie und ihrer sanften Unterstützung besteht ein Unterschied. Auch ohne Zwang, vorschnelle Wahlen und heuchlerische Rhetorik kann man durch eine geduldige Politik wirtschaftlicher Unterstützung, sanfter Diplomatie und internationaler Bemühungen die Entwicklung einer Zivilgesellschaft, eines Rechtsstaats und gut organisierter Wahlen fördern.

Ebenso wichtig wie die außenpolitischen Methoden zur Förderung von Demokratie ist die Art, wie wir sie zu Hause praktizieren. Wenn wir jemandem Demokratie aufdrängen wollen, beschmutzen wir sie. Wenn wir selbst unseren besten Traditionen folgen, können wir andere zur Nachahmung anregen und die sanfte Kraft der Anziehung fördern. Dies ist der Ansatz, den Ronald Reagan “die glitzernde Stadt auf dem Hügel” nannte.

Viele Menschen innerhalb und außerhalb der USA haben eine zynische Sicht gegenüber dem US-amerikanischen politischen System entwickelt, und behaupten, es sei vom Geld regiert und gegenüber Außenseitern verschlossen. Die Wahl von Barack Hussein Obama im Jahr 2008 hat sehr dazu beigetragen, die sanfte Kraft der amerikanischen Demokratie wiederherzustellen.

Ein weiterer innenpolitischer Aspekt der amerikanischen liberalen Demokratie, der momentan diskutiert wird, ist die Reaktion des Landes auf die Bedrohung durch den Terrorismus. Im Zuge des Klimas extremer Angst nach den Anschlägen von 11. September 2001 haben die engen Interpretationen innerstaatlicher und internationaler Gesetze durch die Bush-Regierung die US-Demokratie beschädigt und ihre sanfte Kraft verringert.

Glücklicherweise halfen eine freie Presse, ein unabhängiges Justizwesen und eine kontroverse Gesetzgebung dabei, solche Praktiken in die öffentliche Diskussion zu bringen. Obama hat erklärt, das Gefangenenlager Guantánamo innerhalb eines Jahres zu schließen, und er hat die Geheimhaltung der Berichte aufgehoben, die das rechtfertigten, was heute überwiegend als Folter von Gefangenen wahrgenommen wird.

Aber das Problem des Umgangs mit Terrorismus ist nicht nur eine Frage der Vergangenheit. Die Bedrohung bleibt, und wir müssen uns daran erinnern, dass die Menschen in einer Demokratie sowohl Freiheit als auch Sicherheit wünschen.

In Momenten extremer Angst schwingt das Pendel hin zu verstärkter Sicherheit. Abraham Lincoln setzte während des Bürgerkriegs das Recht des habeas corpus außer Kraft, und Franklin Roosevelt sperrte in den frühen Tagen des zweiten Weltkriegs japanisch-amerikanische Bürger ein.

Wenn man einige der vernünftigeren Mitglieder der Bush-Regierung heute fragt, wie sie nur die Positionen vertreten konnten, die sie 2002 vertraten, sprechen sie über die Anthrax-Angriffe nach dem 11.9., die Geheimdienstberichte über einen bevorstehenden Angriff mit nuklearen Materialien und die allgemeine Angst vor einem zweiten Anschlag. Unter solchen Umständen steht die liberale Demokratie in Widerspruch zum Bedürfnis nach Sicherheit.

Terrorismus ist eine Form von Theater. Seine Wirkung entfaltet er nicht durch pure Zerstörung, sondern durch die Dramatisierung grauenhafter Taten gegen Zivilisten. Es erinnert an jiu jitsu: Der Schwächere gewinnt, indem er die Kräfte des Stärkeren gegen diesen selbst richtet.

Terroristen versuchen, ein Klima der Angst und Unsicherheit zu schaffen, das die liberalen Demokratien dazu bringt, sich durch Aufgabe ihrer eigenen Werte selbst zu schaden. Wenn wir die liberale Demokratie sowohl zu Hause als auch im Ausland bewahren und fördern wollen, müssen wir neuen Terroranschlägen vorbeugen und dabei die Fehler der Vergangenheit verstehen und ihre Wiederholung vermeiden. Dies ist die Debatte, die die Obama-Regierung heute in den USA führt.

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