CAMBRIDGE ‑ Das für den Pulitzer-Preis nominierte Theaterstück Other Desert Cities, das im kalifornischen Palm Springs spielt, erzählt die Geschichte einer zerrissenen Familie, die trotz aller politischen Differenzen um einen Dialog ringt. Mehr als ein Jahrzehnt nach der Uraufführung des Stücks im Jahr 2011 bot die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28), die in einer anderen Wüstenstadt stattfand, eine makrokosmische Erzählung der gleichen Geschichte.
Auch die reale Version, die in Dubai stattfand, war konfliktreich, und wie immer stand viel auf dem Spiel. Viele störten sich daran, dass ein so wichtiger Gipfel von den ölreichen Vereinigten Arabischen Emiraten ausgerichtet wurde. Erschwerend kam hinzu, dass der Zeremonienmeister kein Geringerer als der Präsident der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), Sultan Al Jaber, war.
Während der Konferenz wurde berichtet, dass die VAE am Rande der Konferenz neue Verträge für Öl- und Gasgeschäfte abschlossen, was die Motivation für die Ausrichtung der Veranstaltung in Frage stellte. Al Jaber behauptete, es gebe „keine wissenschaftlichen Beweise“ dafür, dass ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen notwendig sei, um das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Ziel einer Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius zu erreichen. Keine dieser Enthüllungen verhieß Gutes für einen Gipfel, auf dessen Tagesordnung die erste „globale Bestandsaufnahme“ stand: eine durch das Pariser Abkommen vorgeschriebene internationale Prüfung, um festzustellen, ob die Länder auf dem richtigen Weg sind, ihre Emissionsreduktionsziele zu erreichen.
Doch zwei Wochen harter Verhandlungen endeten mit einem Loblied auf Al Jaber und einem „umfassenden Abkommen“, das zum ersten Mal ausdrücklich „fossile Brennstoffe“ erwähnt. Obwohl diese Formulierung weitgehend rhetorisch ist, stellt sie einen Durchbruch dar, auf den fast 30 Jahre lang hingearbeitet wurde. Alle bisherigen Abkommen hatten es vermieden, die dominante Rolle der fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl und Gas) bei der Verursachung des Klimawandels beim Namen zu nennen oder direkt anzuerkennen. Positiv zu vermerken ist, dass auf dieser COP auch an anderen Fronten Fortschritte erzielt wurden, etwa durch die Verpflichtung der Länder, ihre Kapazitäten für erneuerbare Energien zu verdreifachen und ihre Emissionen von Methan, einem besonders starken (wenn auch weniger langlebigen) Treibhausgas, radikal zu reduzieren, sowie durch Fortschritte beim Loss-and-Damage-Fund für Entwicklungsländer.
Wie lässt sich diese Entwicklung erklären? Vielleicht war es der Gastgeber, der vom Drehbuch abgewichen ist. Nachdem die Verhandlungen scheinbar ins Stocken geraten waren, wahrte Al Jaber schließlich sein Gesicht, indem er weniger als 48 Stunden vor dem geplanten Ende des Gipfels eine Intervention ankündigte.
Konkret rief er zu einem Madschlis („Ort des Zusammensitzens“) auf, einer alten arabischen Tradition, die einen konstruktiven Dialog fördert, indem Ablenkungen beseitigt werden und man sich direkt miteinander auseinandersetzt. Während die Struktur sehr unterschiedlich sein kann ‑ vom informellen Tête-à-tête und intellektuellen Austausch bis hin zu quasi-richterlichen oder quasi-legislativen Konferenzen ‑ besteht die Hauptfunktion darin, die Grenze zwischen Geselligkeit und Geschäft zu verwischen. Als wichtiges Merkmal des sozialen und politischen Lebens in weiten Teilen der islamischen Welt wurde diese Praxis von der UNESCO zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt.
Al Jabers innovative Abänderung des COP-Prozedere scheint der Schlüssel zur Überwindung der Blockade gewesen zu sein. In traditioneller Madschlis-Manier setzten sich die Delegierten in konzentrischen Kreisen zusammen und signalisierten damit, dass es keinen Diskussionsleiter gab. Alle wurden ermutigt, eine Haltung der Flexibilität und Kompromissbereitschaft anzunehmen, was bedeutete, dass sie ihre gut einstudierten „Argumente“ aufgeben mussten.
Diese Anpassungen veränderten den Verhandlungston grundlegend. Die Teilnehmer bescheinigten dem Madschlis später, dass es gelungen sei, „offene und tiefe Gespräche“ und einen „Austausch von Herz zu Herz“ zu fördern. So bekam das sonst sterile und sehr formelle Forum einen Hauch von Bayt al She’r, den Ziegenhaarzelten der Beduinen, die genau wissen, dass je rauer das Klima zwischen den Stämmen wird, desto wichtiger es ist, Foren zu schaffen, um Vertrauen aufzubauen.
Natürlich ist die Skepsis gegenüber der Wirksamkeit des auf Einstimmigkeit basierenden Pariser Abkommens allgemein gewachsen, und die ersten Reaktionen auf die COP28 waren ähnlich ambivalent. Doch wie ich in einem Anfang des Jahres veröffentlichten Papier dargelegt habe, ist die Konsensbildung ‑ was die Madschlis erreicht haben – nach wie vor eine bessere Option als Zwang. Das Pariser Abkommen mag mit den Standards internationaler Abkommen brechen, aber sein Ansatz wird von einer wachsenden Zahl von Theorien gestützt ‑ von Elinor Ostroms bahnbrechender Sichtweise der „Governance von Gemeingütern“ bis zu Oliver Harts Arbeiten über „relationale Verträge“. Der Grund dafür ist, wie Tom Tylers Forschung zur Psychologie der Compliance zeigt, dass die intrinsische Motivation oft überzeugender ist als externe Drohungen.
Das Ergebnis der COP28, so unerwartet es auch war, könnte ein bemerkenswerter Nachfolger der COP21 sein, auf der das Pariser Klimaabkommen geschlossen wurde. Mit seiner inspirierten Adaption der Madschlis hat Al Jaber sein Land und seine Kultur gut vertreten. Indem er die Weisheit kultureller Praktiken des Ostens (die in globalen Diskussionen oft vernachlässigt werden) demonstrierte und die Rolle von Emotionen in der internationalen Diplomatie anerkannte, hat er die internationale Klimapolitik wachgerüttelt. Solche Veränderungen in der Kultur der Klimapolitik sind dringend notwendig, um sicherzustellen, dass der globale Süden weiterhin im Mittelpunkt steht, nicht nur als Empfänger von Almosen, sondern auch als Hort epistemischer Weisheit.
Natürlich war die COP28 alles andere als perfekt. Die Formulierungen zu fossilen Brennstoffen waren zwar beispiellos, wurden aber auch stark verwässert, und die endgültige Einigung war für kleine Inselstaaten und Unterstützer, die auf konkretere Zusagen zur Klimafinanzierung gehofft hatten, sehr enttäuschend.
Doch wie im Theaterstück Other Desert Cities könnte sich der Gipfel als Lehrstunde in der Kunst der Kommunikation erweisen ‑ als die unwahrscheinliche Geschichte einer Erlösung, die wir nach einem Jahr der Klimaverwüstung, der Überhitzung und des Krieges brauchen. Die Lektion von Dubai ist, dass vertrauensbildende institutionelle Durchbrüche genauso wichtig sind wie wissenschaftliche und technologische Durchbrüche, nicht nur für die Klimapolitik.
Übersetzung: Andreas Hubig
CAMBRIDGE ‑ Das für den Pulitzer-Preis nominierte Theaterstück Other Desert Cities, das im kalifornischen Palm Springs spielt, erzählt die Geschichte einer zerrissenen Familie, die trotz aller politischen Differenzen um einen Dialog ringt. Mehr als ein Jahrzehnt nach der Uraufführung des Stücks im Jahr 2011 bot die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28), die in einer anderen Wüstenstadt stattfand, eine makrokosmische Erzählung der gleichen Geschichte.
Auch die reale Version, die in Dubai stattfand, war konfliktreich, und wie immer stand viel auf dem Spiel. Viele störten sich daran, dass ein so wichtiger Gipfel von den ölreichen Vereinigten Arabischen Emiraten ausgerichtet wurde. Erschwerend kam hinzu, dass der Zeremonienmeister kein Geringerer als der Präsident der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), Sultan Al Jaber, war.
Während der Konferenz wurde berichtet, dass die VAE am Rande der Konferenz neue Verträge für Öl- und Gasgeschäfte abschlossen, was die Motivation für die Ausrichtung der Veranstaltung in Frage stellte. Al Jaber behauptete, es gebe „keine wissenschaftlichen Beweise“ dafür, dass ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen notwendig sei, um das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Ziel einer Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius zu erreichen. Keine dieser Enthüllungen verhieß Gutes für einen Gipfel, auf dessen Tagesordnung die erste „globale Bestandsaufnahme“ stand: eine durch das Pariser Abkommen vorgeschriebene internationale Prüfung, um festzustellen, ob die Länder auf dem richtigen Weg sind, ihre Emissionsreduktionsziele zu erreichen.
Doch zwei Wochen harter Verhandlungen endeten mit einem Loblied auf Al Jaber und einem „umfassenden Abkommen“, das zum ersten Mal ausdrücklich „fossile Brennstoffe“ erwähnt. Obwohl diese Formulierung weitgehend rhetorisch ist, stellt sie einen Durchbruch dar, auf den fast 30 Jahre lang hingearbeitet wurde. Alle bisherigen Abkommen hatten es vermieden, die dominante Rolle der fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl und Gas) bei der Verursachung des Klimawandels beim Namen zu nennen oder direkt anzuerkennen. Positiv zu vermerken ist, dass auf dieser COP auch an anderen Fronten Fortschritte erzielt wurden, etwa durch die Verpflichtung der Länder, ihre Kapazitäten für erneuerbare Energien zu verdreifachen und ihre Emissionen von Methan, einem besonders starken (wenn auch weniger langlebigen) Treibhausgas, radikal zu reduzieren, sowie durch Fortschritte beim Loss-and-Damage-Fund für Entwicklungsländer.
Wie lässt sich diese Entwicklung erklären? Vielleicht war es der Gastgeber, der vom Drehbuch abgewichen ist. Nachdem die Verhandlungen scheinbar ins Stocken geraten waren, wahrte Al Jaber schließlich sein Gesicht, indem er weniger als 48 Stunden vor dem geplanten Ende des Gipfels eine Intervention ankündigte.
Konkret rief er zu einem Madschlis („Ort des Zusammensitzens“) auf, einer alten arabischen Tradition, die einen konstruktiven Dialog fördert, indem Ablenkungen beseitigt werden und man sich direkt miteinander auseinandersetzt. Während die Struktur sehr unterschiedlich sein kann ‑ vom informellen Tête-à-tête und intellektuellen Austausch bis hin zu quasi-richterlichen oder quasi-legislativen Konferenzen ‑ besteht die Hauptfunktion darin, die Grenze zwischen Geselligkeit und Geschäft zu verwischen. Als wichtiges Merkmal des sozialen und politischen Lebens in weiten Teilen der islamischen Welt wurde diese Praxis von der UNESCO zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt.
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Al Jabers innovative Abänderung des COP-Prozedere scheint der Schlüssel zur Überwindung der Blockade gewesen zu sein. In traditioneller Madschlis-Manier setzten sich die Delegierten in konzentrischen Kreisen zusammen und signalisierten damit, dass es keinen Diskussionsleiter gab. Alle wurden ermutigt, eine Haltung der Flexibilität und Kompromissbereitschaft anzunehmen, was bedeutete, dass sie ihre gut einstudierten „Argumente“ aufgeben mussten.
Diese Anpassungen veränderten den Verhandlungston grundlegend. Die Teilnehmer bescheinigten dem Madschlis später, dass es gelungen sei, „offene und tiefe Gespräche“ und einen „Austausch von Herz zu Herz“ zu fördern. So bekam das sonst sterile und sehr formelle Forum einen Hauch von Bayt al She’r, den Ziegenhaarzelten der Beduinen, die genau wissen, dass je rauer das Klima zwischen den Stämmen wird, desto wichtiger es ist, Foren zu schaffen, um Vertrauen aufzubauen.
Natürlich ist die Skepsis gegenüber der Wirksamkeit des auf Einstimmigkeit basierenden Pariser Abkommens allgemein gewachsen, und die ersten Reaktionen auf die COP28 waren ähnlich ambivalent. Doch wie ich in einem Anfang des Jahres veröffentlichten Papier dargelegt habe, ist die Konsensbildung ‑ was die Madschlis erreicht haben – nach wie vor eine bessere Option als Zwang. Das Pariser Abkommen mag mit den Standards internationaler Abkommen brechen, aber sein Ansatz wird von einer wachsenden Zahl von Theorien gestützt ‑ von Elinor Ostroms bahnbrechender Sichtweise der „Governance von Gemeingütern“ bis zu Oliver Harts Arbeiten über „relationale Verträge“. Der Grund dafür ist, wie Tom Tylers Forschung zur Psychologie der Compliance zeigt, dass die intrinsische Motivation oft überzeugender ist als externe Drohungen.
Das Ergebnis der COP28, so unerwartet es auch war, könnte ein bemerkenswerter Nachfolger der COP21 sein, auf der das Pariser Klimaabkommen geschlossen wurde. Mit seiner inspirierten Adaption der Madschlis hat Al Jaber sein Land und seine Kultur gut vertreten. Indem er die Weisheit kultureller Praktiken des Ostens (die in globalen Diskussionen oft vernachlässigt werden) demonstrierte und die Rolle von Emotionen in der internationalen Diplomatie anerkannte, hat er die internationale Klimapolitik wachgerüttelt. Solche Veränderungen in der Kultur der Klimapolitik sind dringend notwendig, um sicherzustellen, dass der globale Süden weiterhin im Mittelpunkt steht, nicht nur als Empfänger von Almosen, sondern auch als Hort epistemischer Weisheit.
Natürlich war die COP28 alles andere als perfekt. Die Formulierungen zu fossilen Brennstoffen waren zwar beispiellos, wurden aber auch stark verwässert, und die endgültige Einigung war für kleine Inselstaaten und Unterstützer, die auf konkretere Zusagen zur Klimafinanzierung gehofft hatten, sehr enttäuschend.
Doch wie im Theaterstück Other Desert Cities könnte sich der Gipfel als Lehrstunde in der Kunst der Kommunikation erweisen ‑ als die unwahrscheinliche Geschichte einer Erlösung, die wir nach einem Jahr der Klimaverwüstung, der Überhitzung und des Krieges brauchen. Die Lektion von Dubai ist, dass vertrauensbildende institutionelle Durchbrüche genauso wichtig sind wie wissenschaftliche und technologische Durchbrüche, nicht nur für die Klimapolitik.
Übersetzung: Andreas Hubig