muzikarova3_EDUARD GENSEREKAFP via Getty Images_slovakiacar Eduard Genserek/AFP via Getty Images

Der grüne Wandel der osteuropäischen Wachstumsländer

BRATISLAVA – Durch die Krisen der letzten drei Jahre kam die strukturelle Schwäche der zentral- und osteuropäischen Volkswirtschaften (CEC, central and east european countries) deutlich zum Vorschein. Bei steigenden Lohnkosten und sinkendem Produktivitätswachstum erlitt die Region einen Rückschlag nach dem anderen – durch eine beispiellose Pandemie, Lieferkettenschocks, einen brutalen Krieg in der Nachbarschaft, extreme Wetterereignisse und Energieknappheit. Dieser ständige Druck machte eine Neuausrichtung oder langfristige Planung fast unmöglich, und so fiel es den CEC schwer, sich an die schnellen weltweiten Veränderungen anzupassen.

Wie die Rekordtemperaturen des letzten Sommers zeigten, ist Untätigkeit keine Option mehr: In der Slowakei, in der es bisher mehr als genug Wasser gab, haben extreme Hitzewellen die Trinkwasservorräte erheblich verringert. In Ungarn gab es eine Jahrhundertdürre, die über 500.000 Hektar Ernteerträge im Wert von mehr als einer Milliarde Euro vernichtet hat. Auch Polen leidet unter mehreren Jahren Trockenheit, die – gemeinsam mit Russlands Krieg in der Ukraine – die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben haben. Und in Bulgarien und auf dem Balkan haben höhere Temperaturen zu einem steigenden Waldbrandrisiko und anderen Klimagefahren beigetragen.

Aber trotz erheblicher wirtschaftlicher Verluste durch die globale Erwärmung ist die Region auch ein Nährboden für Klimaskepsis: Die politischen Eliten spielen die Gefahren häufig herunter und verzögern die Klimaziele der Europäischen Union. Der polnische Präsident Andrzej Duda ist ein entschiedener Kritiker der EU-Klimagesetze. Und der ehemalige tschechische Präsident Miloš Zeman meinte, der Kampf gegen den Klimawandel sei „übertrieben“ und zu einer „Religion“ geworden. Außerdem sprach er sich dafür aus, den Europäischen Green Deal zu verlassen.

Die kriegsbedingte Energiekrise hat der Region endlich die Gelegenheit gegeben, sich von russischem Erdgas unabhängig zu machen und auf erneuerbare Energien zu setzen. Durch den Krieg fand im Energiesektor ein Quantensprung der Angebotsdiversifizierung und Nachfrageverringerung statt. Aber unter dem Versuch, die Wohnungen beheizt und die Industrie produktiv zu halten, litt die langfristige Dekarbonisierungsstrategie.

Man könnte sogar sagen, dass der Krieg klimapolitische Rückschläge ausgelöst hat: Hohe Erdgaspreise führten zu erheblich stärkerer Abhängigkeit von Kohle – der bei weitem „schmutzigsten“ fossilen Energiequelle. Letztlich setzt die Region aber – angeführt von der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarn – zunehmend auf Atomkraft, die bevorzugte saubere Energiequelle vieler CEC-Länder, obwohl deren Gegner die radioaktiven Abfälle und die allgemeine Sicherheit dieses Sektors bemängeln.

In der Region gibt es eine große Automobil- und Schwerindustrie. Beide sind kohlenstoffintensiv und schwer elektrifizierbar, was die großflächige Dekarbonisierung im nächsten Jahrzehnt bremsen dürfte. Die übliche Ausweichlösung ist die Kernkraft, und die Entwicklung der Erneuerbaren ging nur schleppend voran, mit Werten deutlich unter dem EU-Durchschnitt – was auch die weit verbreitete Klimaskepsis und das Misstrauen gegenüber grüner Politik widerspiegelt, die den Bürgern der CEC nicht als Garant für Arbeitsplätze erscheint, sondern als Gefahr für ihren Lebensstandard.

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Aber der massenhafte Einsatz von Elektrofahrzeugen scheint nun unvermeidbar zu sein, und darauf ist die Region nicht vorbereitet. Sie hat Jahre niedriger Zinsen und billigen Geldes verstreichen lassen, in denen sie die Energiewende hätte finanzieren können. Dass Deutschland zur bereits vereinbarten EU-Entscheidung, bis 2035 den Verkauf neuer Autos mit Verbrennungsmotor zu verbieten, in letzter Minute seine Meinung geändert hat, zeigt, wie schwierig die politische Durchsetzung struktureller wirtschaftlicher Veränderungen ist.

Die Autoindustrie in der Slowakei, wo pro Kopf der Bevölkerung die weltweit meisten Autos hergestellt werden, zeigt, wie rückständig die Region weiterhin ist: 2022 wurden nur 15% der im Land hergestellten Fahrzeuge elektrisch betrieben, was im nächsten Jahrzehnt erheblichen Aufholbedarf bedeutet. Um die Abkehr vom Verbrennungsmotor zu besiegeln, müssen die traditionellen Automobilhersteller ihre Montageprozesse und Lieferketten komplett überarbeiten – wobei insbesondere der Mangel an Akkus problematisch wird. Die Länder können das Unvermeidliche verzögern, indem sie neue Investitionen auf der grünen Wiese anlocken, wie es die Slowakei kürzlich mit dem deutschen Hersteller Porsche getan hat. Will die Region aber ihre Marktanteile behalten, muss es im nächsten Jahrzehnt erhebliche Veränderungen geben.

Wie die Arbeiter in der regionalen Automobilindustrie zu Recht befürchten, benötigen Elektrofahrzeuge weniger Arbeitsplätze in der Produktion, da sie weniger Teile brauchen. Aber der Nettoeffekt wird nicht tragisch sein, da neue Arbeitsplätze aus zusätzlichen Investitionen einen Teil der Verluste ausgleichen. Und der Rest der Beschäftigen müsste sich nur weiterbilden, da der Arbeitsmarkt in der Region bereits seit langem ziemlich eng ist. Tatsächlich könnte die Elektromobilität höher qualifizierte Arbeit schaffen, die intellektuell anspruchsvoller und besser bezahlt ist als Fließbandarbeit.

Die in Zentral- und Osteuropa nötige wirtschaftliche Umstrukturierung ist hinsichtlich ihres Umfangs fast mit dem postkommunistischen Wandel vor drei Jahrzehnten vergleichbar. Russlands Invasion in der Ukraine hat die Ostflanke der EU dazu gezwungen, dringendere Bedürfnisse zu finanzieren: Die Verteidigungsfähigkeit musste gestärkt, Millionen Flüchtenden geholfen und die Folgen massiver Inflation abgemildert werden. Aber dabei darf die Region nicht die Zukunft aus den Augen verlieren – und die Arbeit, die für zukünftigen Wohlstand getan werden muss.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

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