23154c0446f86f380ea47027_pa1456c.jpg Paul Lachine

Können Lebensmittelpreise stabilisiert werden?

CAMBRIDGE – Unter der Führung des französischen Ministerpräsidenten Nicolas Sarkozy haben die G-20-Staaten dem Thema der Schwankungen der Lebensmittelpreise höchste Priorität gegeben. Die Landwirtschaftsminister der Mitgliedstaaten trafen sich kürzlich in Paris, um Lösungen zu finden. Kein Wunder: Die weltweiten Lebensmittelpreise haben dieses Jahr ein Rekordhoch erreicht, ähnlich wie im Jahr 2008.

Darunter leiden die Konsumenten weltweit, insbesondere die Armen, bei denen die Kosten für Lebensmittel einen Großteil des Haushaltseinkommens verschlingen. In manchen Ländern, insbesondere in Ägypten und Tunesien, trug die Unzufriedenheit über die Lebensmittelpreise zur politischen Destabilisierung bei. Sogar Landwirtschaftsbetriebe würden sich nach den wilden Auf- und Abwärtsbewegungen der letzten fünf Jahre etwas mehr Preisstabilität wünschen.

Die Bemühungen der G-20 werden auf dem Gipfel in Cannes im November ihren Höhepunkt finden. Was allerdings konkrete Handlungsansätze angeht, ist Vorsicht geboten, da in der Vergangenheit viele Maßnahmen zur Verringerung der Agrarpreisschwankungen mehr geschadet als genützt haben.

Einige inflationsbekämpfende Notenbanken haben beispielsweise auf Preissteigerungen importierter Nahrungsmittel mit einer Straffung der Geldpolitik reagiert und dadurch die Währung aufgewertet. Aber negative Veränderungen der Handelsbedingungen müssen ausgeglichen werden, man kann sie nicht mit Geldpolitik bekämpfen.

Erzeugerländer haben versucht, Preisschwankungen durch die Gründung internationaler Kartelle aufzufangen. Aber dies hat nur selten funktioniert.

Theoretisch können Preisfluktuationen durch staatliche Bevorratung gedämpft werden. Dies hängt jedoch davon ab, wie die Lagerbestände verwaltet werden. Die Erfahrungen der Vergangenheit sind nicht sehr ermutigend.

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In reichen Ländern, wo der Produktionssektor meist über politische Macht verfügt, werden Lebensmittelvorräte üblicherweise dazu verwendet, die Preise hoch anstatt niedrig zu halten. Ein klassisches Beispiel ist die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union. Sie hat auf den EU-Haushalt, die wirtschaftliche Effizienz und die Brieftasche der Konsumenten gleichermaßen katastrophale Auswirkungen.

In vielen Entwicklungsländern dagegen mangelt es den Bauern an politischer Macht.

In afrikanischen Ländern wurden Genossenschaften für Kaffee und Kakao eingeführt. Obwohl ursprünglich beabsichtigt war, die Pflanzen in Jahren mit Überangebot zu kaufen, in Jahren mit höherer Nachfrage zu verkaufen, und so die Preise zu stabilisieren, lagen die Preise, die die politisch schwachen Kakao- und Kaffeebauern erzielen konnten, immer unter den Weltmarktpreisen der frühen Jahrzehnte der Unabhängigkeit. Dies hatte einen Produktionsrückgang zur Folge.

Politiker versuchen oft, die Konsumenten dadurch zu schützen, dass sie die Preise für Grundnahrungsmittel und Energie niedrig halten. Aber das künstliche Drücken von Preisen erfordert normalerweise die Rationierung des privaten Verbrauchs. (Ebenso wie hohe Preise können auch Knappheit und lange Schlangen für politische Unruhe sorgen.) Die einzige Lösung wäre, die übermäßige Nachfrage durch Importe zu befriedigen, was den Weltmarktpreis noch weiter nach oben treiben würde.

Wenn ein Land Produzent eines bestimmten Nahrungsmittels ist, kann es zum Schutz der Verbraucher vor Preissteigerungen Exportkontrollen einführen. Indien hat 2008 die Reisexporte gekappt, und Argentinien die Weizenexporte, ebenso Russland im Jahr 2010.

Exportrestriktionen der Produzentenländer und Preiskontrollen der Importländer tragen zu verschärften Preissteigerungen auf dem Weltmarkt bei, da durch beide Maßnahmen die weltweit noch verfügbare Menge reduziert wird. Wenn sich Produzenten- und Konsumentenländer darauf einigen könnten, von solchen staatlichen Interventionen abzusehen – was über die Welthandelsorganisation möglich wäre – könnte die Preisvolatilität geringer ausfallen.

In der Zwischenzeit sollten einige naheliegende Maßnahmen erfolgen. Zuerst müssen die Subventionen für Biosprit abgeschafft werden. Zuschüsse für Ethanol, wie sie beispielsweise an amerikanische Maisbauern gezahlt werden, tragen nicht zum Erreichen der politischen Umweltvorgaben bei, sondern verknappen das Getreide und führen so weltweit zu höheren Lebensmittelpreisen. Dies sollte inzwischen jedem klar sein. Aber dass die Landwirtschaftsminister der G-20 das Problem lösen, kann man nicht wirklich erwarten. Schließlich verdient ihr Klientel, die Bauern, an den Subventionen. (Die USA sind hier übrigens das größte Hindernis.)

Wahrscheinlich ist es am besten, die Preisschwankungen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse als gegeben zu akzeptieren, und Wege zu finden, die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen in Grenzen zu halten – beispielsweise durch Finanzinstrumente, die die Handelsbedingungen ausgleichen.

Geeinigt haben sich die Landwirtschaftsminister der G-20 auf ein System zur Erhöhung der Transparenz innerhalb der Agrarmärkte, das Informationen über Produktion, Vorräte und Preise liefert. Vollständigere und aktuellere Informationen könnten tatsächlich hilfreich sein.

Aber Sarkozy hat offensichtlich umfassendere Maßnahmen gegen Spekulanten im Sinn, die für die Destabilisierung der Märkte für landwirtschaftliche Güter verantwortlich gemacht werden. Tatsächlich haben sich Agrarerzeugnisse in den letzten Jahren immer mehr von Waren hin zu Anlageprodukten entwickelt. Die Preise werden nicht mehr nur anhand von Angebot und Nachfrage sowie grundlegender wirtschaftlicher Einflussfaktoren (z.B. meteorologischer oder politischer Natur) bestimmt. Sie werden zunehmend auch von Annahmen zukünftiger Bedingungen (wie z.B. Wirtschaftswachstum in Asien) und alternativen Renditen (wie Zinssätzen) beeinflusst – mit anderen Worten: durch Spekulanten.

Aber Spekulation muss nicht unbedingt destabilisierend wirken. Sarkozy hat Recht damit, dass hohe Fremdkapitalquoten nicht deshalb gut sein müssen, weil sie auf den freien Märkten erlaubt sind, und dass Spekulanten manchmal destabilisierend wirken. Aber Spekulanten sind oft auch Detektoren für die Veränderung wirtschaftlicher Fundamentaldaten, und liefern die Signale, die sanfte Übergänge ermöglichen. Anders ausgedrückt, wirken sie häufig auch stabilisierend.

Die anderen G-20-Mitglieder haben den französischen Maßnahmen zur Regulierung der Warenspekulation, darunter der Limitierung von Positionsgrößen, bisher noch nicht zugestimmt. Ich hoffe, das bleibt so. Den Boten zu erschießen, ist die falsche Art, auf die Botschaft zu reagieren.

https://prosyn.org/MmPdEdWde