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Wie man Putin anklagt

EDINBURGH – Vor einigen Wochen erließ der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des Kriegsverbrechens der unrechtmäßigen Deportation und Verbringung von Kindern aus den besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland. Dies ist ein bedeutender – ja historischer – Schritt, um Putin und seine Handlanger für ihre Verbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Aber es muss noch mehr getan werden.

Die Beweise für russische Gräueltaten in der Ukraine – darunter Mord, Vergewaltigung, Folter und Angriffe auf Zivilisten, zivile Infrastrukturen und andere nicht-militärische Ziele – häufen sich. Erst letzten Monat hat eine von den Vereinten Nationen unterstützte Untersuchung einen Bericht veröffentlicht, in dem Russland Kriegsverbrechen und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Die Anklage des IStGH wird wahrscheinlich nicht die einzige rechtliche Maßnahme gegen Putin und seine Kumpane sein, aber sie ist die erste. Der Ankläger des IStGH hat dafür gesorgt, dass Putin als erstes Staatsoberhaupt eines ständigen Mitglieds des UN-Sicherheitsrats, das wegen eines internationalen Verbrechens angeklagt wird, in die Geschichte eingehen wird.

Hierbei handelt es sich nicht nur um einen symbolischen Schritt. Diejenigen, die glauben, dass eine Inhaftierung Putins unmöglich ist, sollten sich daran erinnern, dass der liberianische Kriegsverbrecher Charles Taylor derzeit eine 50-jährige Haftstrafe in einem britischen Gefängnis verbüßt und der ehemalige serbische Staatschef Slobodan Milošević im Gefängnis in Den Haag starb, während er wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stand. Und wer glaubt, dass der Haftbefehl keine Auswirkungen auf die Angeklagten haben wird, sollte die Berichte über die wachsende Uneinigkeit innerhalb von Putins Führungsriege zur Kenntnis nehmen, wo Insider zweifellos befürchten, dass auch sie bald angeklagt werden.

Zwar hat der Präsident des IStGH ungewöhnlich schnell gehandelt und eine Absichtserklärung abgegeben, Putin in Den Haag anzuklagen, doch ist es unwahrscheinlich, dass Putin sich der Möglichkeit einer Verhaftung aussetzt, indem er einen der 123 Staaten betritt, die dem IStGH beigetreten sind. Bedauerlicherweise erkennt Russland den IStGH nicht an (ebenso wenig wie die Vereinigten Staaten). Da auch US-Präsident Joe Biden trotz seiner Ablehnung des IStGH diese Maßnahmen begrüßt, fragt man sich, wie die Welt den Druck auf Putin und seine Kumpane erhöhen kann.

Das Verbrechen der Aggression – beginnend mit der Invasion der Krim im Jahr 2014 – ist Putins „Erbsünde“, die Quelle aller jüngsten Gräueltaten. Wie der Rechtsprofessor Philippe Sands vom University College London argumentiert, wäre die Aggression leichter zu verfolgen als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, da sie direkt mit dem Kreml in Verbindung gebracht werden kann.

Das Mandat des IStGH erstreckt sich nicht auf die Verfolgung des Verbrechens der Aggression, aber es kann ein spezielles internationales Tribunal geschaffen werden, das sich ausdrücklich auf dieses „Führungsverbrechen“ konzentriert. Die Arbeit des Tribunals würde die Arbeit des IStGH ergänzen und ihr Gewicht verleihen.

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Die ermutigende Nachricht ist, dass alle großen europäischen Länder sowie die Europäische Union und der Europarat die Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Putin und seinen Kreis wegen des Verbrechens der Aggression zu belangen, unterstützt haben. Ein Tribunal könnte in den kommenden Monaten eingerichtet werden.

Dennoch wird die amerikanische Unterstützung für den Erfolg eines solchen Tribunals entscheidend sein. Biden muss nicht befürchten, dass die Unterstützung einer Untersuchung gegen Putin die von ihm so sorgfältig austarierte Waage – von der Unterstützung der ukrainischen Verteidigung zu einer aktiven Aggression gegen Russland kippen würde. Schließlich haben die USA regelmäßig Sondertribunale – insbesondere für Kambodscha, Libanon, Ruanda, Sierra Leone und das ehemalige Jugoslawien – zur Verfolgung internationaler Verbrechen unterstützt. Auch bei den Nürnberger Prozessen, die vom Internationalen Militärgerichtshof durchgeführt wurden, um führende Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg zu verfolgen und zu bestrafen, waren US-Staatsanwälte an vorderster Front beteiligt. Das Gleiche gilt für den Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten, der die „Tokioter Prozesse“ gegen japanische Kriegsverbrecher durchführte.

Beide Tribunale stützten sich auf die Erklärung von St. James’s Palace oder Londoner Erklärung von 1941, in der die alliierten Mächte vereinbarten, dass es keinen sicheren Hafen für diejenigen geben würde, die sich einer Aggression schuldig gemacht haben. Diese Erklärung bildete auch die Grundlage für das Sondertribunal, das mit der Untersuchung und Verfolgung von Putin beauftragt wurde.

Befürchtungen, dass ein solches Tribunal die Tür für Strafverfolgungen im Zusammenhang mit Konflikten wie dem Irakkrieg öffnen würde, sind ebenfalls unbegründet. Das Sondertribunal für Aggressionsverbrechen in der Ukraine wäre eine Antwort auf Selenskyjs ausdrücklichen Antrag, der im Namen der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes gestellt wurde. Die Befugnisse des Tribunals würden sich aus dem ukrainischen Recht und dem im Völkerrecht verankerten Verbot von Aggressionsverbrechen ergeben. Und das Gremium würde sich ausschließlich mit der Situation in der Ukraine befassen, wo die Beweise für ein Fehlverhalten – anders als in vielen anderen Konflikten – den sehr hohen Anforderungen an die Beweisführung genügen.

Die Bereitschaft Putins, über Friedensgespräche nachzudenken, wird auch durch die Aussicht auf einen Prozess nicht steigen. Ich hatte sowohl als Finanzminister als auch als Premierminister des Vereinigten Königreichs direkt mit ihm zu tun, nicht zuletzt wegen der Ermordung des im Vereinigten Königreich eingebürgerten russischen Überläufers Alexander Litwinenko im Jahr 2006. Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, dass die einzige Sprache, die Putin versteht, die Sprache der Macht ist. Zurückhaltung wird er nicht als einen Olivenzweig betrachten, der es wert ist, angenommen zu werden, sondern als eine weitere Beschwichtigung, die aus Schwäche geboren wurde.

Die Ukrainer haben im Angesicht der russischen Brutalität zusammengestanden und tapfer gekämpft. Der Rest der Welt – allen voran die USA – muss den gleichen Mut und die gleiche Entschlossenheit an den Tag legen, um dafür zu sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, angefangen bei Russlands Spitzenpolitikern.

Amerika hat das Ende gewollt – die Rechenschaftspflicht für Putin und seine Kumpane. Jetzt muss es sich Europa anschließen und die Mittel unterstützen.

Übersetzung: Andreas Hubig

https://prosyn.org/evsfC0tde