LONDON – Es gibt kein Land auf der Welt, das nicht mit den schwerwiegenden gesundheitlichen und ökologischen Folgen der Ernährungsweise seiner Bevölkerung zu kämpfen hätte. Es muss einen besseren Weg geben, um alle gut und nachhaltig zu ernähren.
Nach derzeitigen Stand haben weltweit rund 820 Millionen Menschen nicht genug zu essen und viele weitere – oft in denselben Ländern – ernähren sich von ungesunden Lebensmitteln, die zu Fettleibigkeit, Herzkrankheiten, Diabetes und anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Die Risiken einer schlechten Ernährung für die Gesundheit wiegen heute schwerer als die Folgen von Alkohol, Rauchen, ungeschütztem Sex und Drogenmissbrauch zusammengenommen.
Im Hinblick auf die Umwelt stellt die globale Nahrungsmittelproduktion, für die 40% der weltweiten Landfläche genutzt und 70% des Süßwassers verbraucht werden, die größte durch den Menschen verursachte Belastung für die Ressourcen des Planeten dar. Sie hat außerdem erheblichen Anteil an steigenden Treibhausgasemissionen, am Verlust der biologischen Vielfalt, an der Entstehung sogenannter Totwasserzonen in den Ozeanen, in denen die Sauerstoffsättigung für die Meeresbewohner nicht ausreicht, und an der Abholzung.
Da die Weltbevölkerung bis 2050 auf zehn Milliarden Menschen anwachsen wird, wird die Herausforderung, die Welt auf gesunde und nachhaltige Weise zu ernähren, nur noch größer. Die Bewältigung dieser Herausforderung erfordert umfassende, langfristige Systemänderungen. Ein guter Ausgangspunkt sind die wissenschaftlich fundierten Leitlinien, die unlängst von der EAT-Lancet-Kommission für gesunde Ernährung aus nachhaltigen Ernährungssystemen veröffentlicht und von der Stiftung Wellcome Trust gefördert wurden (der wir beide angehören).
In der vorgeschlagenen „Win-Win“-Ernährung ‒ für ein gesünderes Leben und einen gesunden Planeten ‒ würden etwa ein Drittel der Kalorien aus Vollkornprodukten und Knollenfrüchten stammen; Eiweiß würde hauptsächlich aus pflanzlichen Quellen bezogen, wobei etwa 14 Gramm rotes Fleisch pro Tag ebenfalls enthalten wären, und etwa 500 Gramm Obst und Gemüse würden täglich auf dem Speiseplan stehen. Im Durchschnitt würde diese Ernährung den weltweiten Verbrauch von rotem Fleisch und Zucker halbieren und die Menge an Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten, die heute weltweit konsumiert wird, mehr als verdoppeln.
Angesichts der Vielfalt der Ernährungssysteme auf der Welt, ganz zu schweigen von der Rolle, die Kultur und Tradition bei der Gestaltung der Ernährung spielen, müssten bestimmte Komponenten natürlich an die lokalen Bedürfnisse und Geschmäcker angepasst werden. Aber wenn sich die ganze Welt auf diese Art und Weise ernähren würde, könnten jedes Jahr bis zu 11,6 Millionen vorzeitige ernährungsbedingte Todesfälle verhindert werden.
Im Bericht der Kommission werden klare Strategien präsentiert, wie sich dieser Vorschlag umsetzen ließe. Internationale Organisationen und nationale Regierungen würden federführend dafür sorgen, dass eine gesunde, nachhaltige Ernährungsweise für alle verfügbar, attraktiv und erschwinglich ist. Ihre Umsetzung erfordert vor allen Dingen einen grundlegenden Umbau der Landwirtschaft in den Ländern, um sicherzustellen, dass die notwendigen Bestandteile der Ernährung produziert werden. Anstatt Entscheidungen ausschließlich auf Grundlage von Produktionsmengen zu treffen, müssen Landwirte ausreichend vielfältige Erzeugnisse produzieren und nachhaltige Praktiken anwenden. Zu diesem Zweck müssen wirksame Anreize geschaffen werden.
Darüber hinaus würde die Stärkung der Infrastruktur, die Erzeugergemeinschaften auf dem Land mit Ballungsgebieten verbindet, in Ländern mit niedrigem Einkommen einen großen Beitrag dazu leisten, den Zugang zu frischen, gesunden Erzeugnissen zu verbessern und gleichzeitig die mit dem Transport einhergehenden Abfälle reduzieren. Wenn man die gesamte Versorgungskette betrachtet, wird fast ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel verschwendet. Angesichts dieser Tatsache müssen die höheren Investitionen in die Infrastruktur um nationale Programme zur Abfallreduzierung ergänzt werden.
Um die langfristige globale Ernährungssicherheit zu gewährleisten, müssen zudem mehr Ressourcen in die Entwicklung nährstoffreicherer, ertragreicherer und widerstandsfähigerer Nutzpflanzen fließen, die Temperaturschwankungen, extremen Witterungsbedingungen und Schädlingen standhalten können. Was immer an neuem Saatgut entwickelt wird, muss für Landwirte weltweit verfügbar und bezahlbar sein. In der Zwischenzeit benötigen Landwirte in Trockengebieten besseren Zugang zu vorhandenen dürretoleranten Nutzpflanzen, wie etwa der eiweißreichen Hülsenfrucht Augenbohne, um den Boden zu schützen und seine Feuchtigkeit zu bewahren.
Um eine nachhaltige Ernährung zu ermöglichen, muss die Welt ihrer Verantwortung für den Planeten besser gerecht werden. Das bedeutet, dass nicht nur Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Entwaldung der Erde einzudämmen, sondern auch um degradierte Flächen wieder aufzuforsten, die biologische Vielfalt der Meere zu schützen und die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen zu verhindern.
Der Bericht der EAT-Lancet-Kommission enthält nicht alle Antworten. So sind etwa weitere Anstrengungen erforderlich, um herauszufinden, wie die Nahrungsmittelproduktion in ressourcenarmen Gebieten am besten verändert werden kann. Die im Bericht befürwortete evidenzbasierte Strategie bietet jedoch allen Interessengruppen – Regierungen, Erzeugern und Bürgern – einen nützlichen Rahmen für die Zusammenarbeit bei der Umgestaltung nicht nachhaltiger Ernährungssysteme und der Sicherstellung einer gesunden Ernährung für alle.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow.
LONDON – Es gibt kein Land auf der Welt, das nicht mit den schwerwiegenden gesundheitlichen und ökologischen Folgen der Ernährungsweise seiner Bevölkerung zu kämpfen hätte. Es muss einen besseren Weg geben, um alle gut und nachhaltig zu ernähren.
Nach derzeitigen Stand haben weltweit rund 820 Millionen Menschen nicht genug zu essen und viele weitere – oft in denselben Ländern – ernähren sich von ungesunden Lebensmitteln, die zu Fettleibigkeit, Herzkrankheiten, Diabetes und anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Die Risiken einer schlechten Ernährung für die Gesundheit wiegen heute schwerer als die Folgen von Alkohol, Rauchen, ungeschütztem Sex und Drogenmissbrauch zusammengenommen.
Im Hinblick auf die Umwelt stellt die globale Nahrungsmittelproduktion, für die 40% der weltweiten Landfläche genutzt und 70% des Süßwassers verbraucht werden, die größte durch den Menschen verursachte Belastung für die Ressourcen des Planeten dar. Sie hat außerdem erheblichen Anteil an steigenden Treibhausgasemissionen, am Verlust der biologischen Vielfalt, an der Entstehung sogenannter Totwasserzonen in den Ozeanen, in denen die Sauerstoffsättigung für die Meeresbewohner nicht ausreicht, und an der Abholzung.
Da die Weltbevölkerung bis 2050 auf zehn Milliarden Menschen anwachsen wird, wird die Herausforderung, die Welt auf gesunde und nachhaltige Weise zu ernähren, nur noch größer. Die Bewältigung dieser Herausforderung erfordert umfassende, langfristige Systemänderungen. Ein guter Ausgangspunkt sind die wissenschaftlich fundierten Leitlinien, die unlängst von der EAT-Lancet-Kommission für gesunde Ernährung aus nachhaltigen Ernährungssystemen veröffentlicht und von der Stiftung Wellcome Trust gefördert wurden (der wir beide angehören).
In der vorgeschlagenen „Win-Win“-Ernährung ‒ für ein gesünderes Leben und einen gesunden Planeten ‒ würden etwa ein Drittel der Kalorien aus Vollkornprodukten und Knollenfrüchten stammen; Eiweiß würde hauptsächlich aus pflanzlichen Quellen bezogen, wobei etwa 14 Gramm rotes Fleisch pro Tag ebenfalls enthalten wären, und etwa 500 Gramm Obst und Gemüse würden täglich auf dem Speiseplan stehen. Im Durchschnitt würde diese Ernährung den weltweiten Verbrauch von rotem Fleisch und Zucker halbieren und die Menge an Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten, die heute weltweit konsumiert wird, mehr als verdoppeln.
Angesichts der Vielfalt der Ernährungssysteme auf der Welt, ganz zu schweigen von der Rolle, die Kultur und Tradition bei der Gestaltung der Ernährung spielen, müssten bestimmte Komponenten natürlich an die lokalen Bedürfnisse und Geschmäcker angepasst werden. Aber wenn sich die ganze Welt auf diese Art und Weise ernähren würde, könnten jedes Jahr bis zu 11,6 Millionen vorzeitige ernährungsbedingte Todesfälle verhindert werden.
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Im Bericht der Kommission werden klare Strategien präsentiert, wie sich dieser Vorschlag umsetzen ließe. Internationale Organisationen und nationale Regierungen würden federführend dafür sorgen, dass eine gesunde, nachhaltige Ernährungsweise für alle verfügbar, attraktiv und erschwinglich ist. Ihre Umsetzung erfordert vor allen Dingen einen grundlegenden Umbau der Landwirtschaft in den Ländern, um sicherzustellen, dass die notwendigen Bestandteile der Ernährung produziert werden. Anstatt Entscheidungen ausschließlich auf Grundlage von Produktionsmengen zu treffen, müssen Landwirte ausreichend vielfältige Erzeugnisse produzieren und nachhaltige Praktiken anwenden. Zu diesem Zweck müssen wirksame Anreize geschaffen werden.
Darüber hinaus würde die Stärkung der Infrastruktur, die Erzeugergemeinschaften auf dem Land mit Ballungsgebieten verbindet, in Ländern mit niedrigem Einkommen einen großen Beitrag dazu leisten, den Zugang zu frischen, gesunden Erzeugnissen zu verbessern und gleichzeitig die mit dem Transport einhergehenden Abfälle reduzieren. Wenn man die gesamte Versorgungskette betrachtet, wird fast ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel verschwendet. Angesichts dieser Tatsache müssen die höheren Investitionen in die Infrastruktur um nationale Programme zur Abfallreduzierung ergänzt werden.
Um die langfristige globale Ernährungssicherheit zu gewährleisten, müssen zudem mehr Ressourcen in die Entwicklung nährstoffreicherer, ertragreicherer und widerstandsfähigerer Nutzpflanzen fließen, die Temperaturschwankungen, extremen Witterungsbedingungen und Schädlingen standhalten können. Was immer an neuem Saatgut entwickelt wird, muss für Landwirte weltweit verfügbar und bezahlbar sein. In der Zwischenzeit benötigen Landwirte in Trockengebieten besseren Zugang zu vorhandenen dürretoleranten Nutzpflanzen, wie etwa der eiweißreichen Hülsenfrucht Augenbohne, um den Boden zu schützen und seine Feuchtigkeit zu bewahren.
Um eine nachhaltige Ernährung zu ermöglichen, muss die Welt ihrer Verantwortung für den Planeten besser gerecht werden. Das bedeutet, dass nicht nur Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Entwaldung der Erde einzudämmen, sondern auch um degradierte Flächen wieder aufzuforsten, die biologische Vielfalt der Meere zu schützen und die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen zu verhindern.
Der Bericht der EAT-Lancet-Kommission enthält nicht alle Antworten. So sind etwa weitere Anstrengungen erforderlich, um herauszufinden, wie die Nahrungsmittelproduktion in ressourcenarmen Gebieten am besten verändert werden kann. Die im Bericht befürwortete evidenzbasierte Strategie bietet jedoch allen Interessengruppen – Regierungen, Erzeugern und Bürgern – einen nützlichen Rahmen für die Zusammenarbeit bei der Umgestaltung nicht nachhaltiger Ernährungssysteme und der Sicherstellung einer gesunden Ernährung für alle.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow.