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Hundert Jahre Supraleitfähigkeit

CHICAGO – Kürzlich wurde der weltweit erste “Quanten”-Computer – ein Gerät, das die Magie der Quantenphänomene für Speicher- und Prozessorzwecke nutzt, und dies unglaublich viel schneller als die heutigen Computerchips auf Silikonbasis – von der kanadischen Firma D-Wave Systems an Lockheed-Martin verkauft. Als Antwort auf die verbreitete Skepsis, ob es sich wirklich um einen Quantencomputer handelt, haben seine Entwickler Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht, die zeigen, dass die grundlegenden Bestandteile dieses neuartigen Computers tatsächlich supraleitende Quantenbits sind.

In diesem Frühjahr war der hundertste Jahrestag der Entdeckung der Supraleitfähigkeit – der Fähigkeit von Materialien, elektrischen Strom verlustfrei zu leiten. Strom, der sich in supraleitenden Drähten befindet, kann dort jahrelang ohne messbare Verlustleistung fließen.

Aufgrund dieser Eigenschaft besitzen Supraleiter einmalige Fähigkeiten, die auf vielfältige Weise genutzt werden können. Sie können enorme Strommengen leiten, wodurch sie sich ideal für städtische Hochspannungsnetze eignen würden. Und als Spulen gewickelt können sie extrem starke Magnetfelder erzeugen.

Solche supraleitende Magnete werden bereits in vielen technischen Bereichen eingesetzt. Die bekanntesten Beispiele dafür sind die Magneten, die die Magnetresonanztomographen in Krankenhäusern antreiben. Am exotischsten sind vielleicht die riesigen Magnete zur Beschleunigung von Partikeln im Large Hadron Collider, der den grundlegenden Prinzipien der Materie auf der Spur ist.

Trotz ihrer vielversprechenden Eigenschaften haben Supraleiter auch Grenzen. Eine davon ist, dass die meisten für ihre Leitfähigkeit sehr tiefe Temperaturen benötigen – nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 ºC). Solche Temperaturen können nur durch Kühlung mit flüssigem Helium erzeugt werden. Daher haben Forscher aus der Schweiz 1986 für Aufregung gesorgt, als sie die Supraleitfähigkeit eines Kupferoxids entdeckten, die bei doppelt so hoher Temperatur wie der bisherige Rekordhalter funktioniert.

Kurz darauf entdeckten Wissenschaftler in den USA ein ähnliches Material, das Supraleitfähigkeit oberhalb der Temperatur besitzt, bei der sich Luft verflüssigt. Wie die Zeitschrift Time im Jahr 1987 schrieb, hat mit der Entdeckung dieser sogenannten ”Cupraten” die Revolution der Supraleiter begonnen.

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Die Revolution verlief allerdings bald im Sande. Die Arbeit mit Cupraten ist extrem schwierig, da sie sehr zerbrechlich sind. Dies wird noch durch ihre hohe Anisotropie verstärkt – die Materialien haben eine quasi zweidimensionale Struktur, die aus einem nur schwach verbundenen Stapel leitender Schichten besteht. Dadurch sind sie für die Industrie eine echte Herausforderung, obwohl sie nach und nach in Anwendungen verwendet werden. 

Seit dem ersten Aufkommen der Cuprate wurden einige andere “Hochtemperatur”-Supraleiter entdeckt – einer davon ist ein einfaches Kompositum aus Magnesium und Bor, ein anderer eine Eisen-Arsen-Legierung. Obwohl keiner von ihnen oberhalb der Verflüssigungstemperatur von Luft leitet, sind sie womöglich besser zu verarbeiten. Angesichts der enormen Anzahl möglicher Komposita von Elementen besteht eine gute Chance, dass wir noch bessere Supraleiter entdecken könnten.

Es wird erwartet, dass Supraleiter die nächsten Jahre in der Technik eine wachsende Rolle spielen. Bereits heute werden Cuprate der “zweiten Generation” verwendet, um Hochleistungskabel zum Stromtransport und leichtere Generatoren für Windturbinen herzustellen. Stärkere supraleitende Magneten führen zur Entwicklung von Tomographen mit besseren Diagnosefähigkeiten. Supraleiter werden für Hochgeschwindigkeitszüge in Magnetschwebetechnik sowie als Mikrowellenfilter in Mobilfunksendestationen für verbesserte Signalbandbreite verwendet. Die Entdeckung eines neuen Supraleiters mit verbesserten Eigenschaften könnte zu noch größerem technischen Fortschritt führen.

Dies führt uns zu der damit verbundenen intellektuellen Herausforderung. Zwischen der Entdeckung der Supraleitfähigkeit und der Theorie von Bardeen, Cooper und Schrieffer (BCS) zur Erklärung des Phänomens im Jahr 1957 lagen 46 Jahre. In dieser Zeit versuchten sich viele berühmte Physiker an der Erklärung und scheiterten – darunter Albert Einstein, Werner Heisenberg und Richard Feynman.

Um eine Lösung zu finden, war die Entwicklung fortgeschrittener theoretischer Techniken erforderlich. Es war schwer herauszufinden, welche Bedingungen die Elektronen supraleitend machten. Die grundlegende Entdeckung von BCS war, dass sich die Elektronen bei der Supraleitung zu Paaren zusammenschließen.

Glücklicherweise war die Funktionsweise einer solchen Paarung bekannt. Obwohl Elektronen negativ geladen sind und sich deshalb abstoßen, können die positiven Ionen, die sich beim Fluss der Elektronen durch ein Metall bilden, unter bestimmten Bedingungen (z.B. bei sehr kaltem Metall) eine Anziehung zwischen zwei Elektronen bewirken.

Allerdings besteht der Verdacht, dass dies bei den neuen Supraleitern nicht der Fall ist. Cuprate entwickeln ihre Supraleitfähigkeit bei viel höheren Temperaturen, aber noch wichtiger ist, dass sie einige seltsame Eigenschaften besitzen: Sie entstehen durch die Einbringung elektrischer Leiter in ein Basismaterial, das magnetisch isolierend wirkt – und dies ist der allerletzte Ort, an dem man nach einem konventionellen Supraleiter suchen würde. Und im Unterschied zur BCS-Theorie, in der die Paare isotrop sind – mit identischen Eigenschaften in allen räumlichen Richtungen – sind die Paare in Cupraten stark anisotrop und ähneln einem Kleeblatt.

Wie kann man Elektronen ohne verbindende Ionen zusammenbringen und so Supraleitfähigkeit bei höherer Temperatur erzeugen? Dazu gibt es zwar viele Ideen, aber um die Mittel zur Lösung solcher Elektronen-Elektronen-Theorien zu entwickeln, benötigen wir neue theoretische Durchbrüche, die möglicherweise sogar schwarze Löcher beinhalten. Wie eine solche Theorie letztlich auch aussehen mag, sie wird mit Sicherheit die Physik revolutionieren.

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