WASHINGTON, DC – Im letzten April prognostizierte der Internationale Währungsfonds, die Weltwirtschaft werde 2015 um 3,5% wachsen.. In den Folgemonaten wurde diese Vorhersage immer weiter gesenkt und erreichte im Oktober 3,1%.. Aber der IWF behauptet weiterhin mit fast banaler Vorhersagbarkeit – wie bereits in den letzten sieben Jahren – das nächste Jahr werde besser. Und er wird damit fast sicher wieder daneben liegen.
Zunächst einmal wächst der Welthandel jährlich nur um magere 2%, verglichen mit 8% von in den Jahren von 2003 bis 2007. Während das Wachstum des Handels in diesen Jahren dasjenige des BIP (durchschnittlich 4,5%) weit übertroffen hat, sind die beiden Werte in letzter Zeit etwa gleich. Selbst wenn das BIP-Wachstum das Handelswachstum in diesem Jahr übertreffen sollte, wird es doch kaum über 2,7% liegen.
Die Frage ist: Warum? Laut Christina und David Romer von der University of California, Berkeley, flauen die Nachwirkungen moderner Finanzkrisen – seit dem Zweiten Weltkrieg– nach zwei bis drei Jahren ab. Die Harvard-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff sagen, ein Land brauche fünf Jahre, um sich von einer Finanzkrise zu erholen. Und tatsächlich sind die finanziellen Verwerfungen von 2007-2008 größtenteils abgeklungen. Was also ist der Grund für die zähe wirtschaftliche Erholung?
Eine populäre Erklärung liegt in der verschwommenen Wahrnehmung einer „säkularen Stagnation“: Die langfristig schwache Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen unterminiert die Anreize für Investitionen und Neueinstellungen. Aber die Nachfrage bleibt nur schwach, wenn die Menschen zu wenig Vertrauen in die Zukunft haben. Wie Robert Gordon von der Northwestern University akribisch aufgezeichnet und argumentiert hat, besteht die einzige logische Erklärung für diesen anhaltenden Vertrauensmangel im langsamen Produktivitätswachstum.
Vor der Krise – und insbesondere von 2003 bis 2007 – wurde dieses langsame Produktivitätswachstum in großen Teilen der Welt durch ein illusionäres Gefühl von Wohlstand verschleiert. In einigen Ländern – darunter hauptsächlich den Vereinigten Staaten, Spanien und Irland – haben sich steigende Immobilienpreise, spekulativer Neubau und finanzielle Risikobereitschaft gegenseitig verstärkt. Gleichzeitig haben die Länder ihr Wachstum durch gegenseitigen Handel erhöht.
Im Zentrum des globalen Booms stand China, der erwachende Riese, der die Welt mit billigen Exporten überflutete und damit die weltweite Inflation niedrig hielt. Ebenso wichtig war, dass China enorme Mengen von Rohstoffen importierte und damit viele afrikanische und lateinamerikanische Volkswirtschaften unterstützte. Auch kaufte das Land deutsche Autos und Maschinen und hielt damit die regionalen Angebotsketten der größten europäischen Volkswirtschaft am Laufen.
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Dank aggressiver Geldpolitik und Schritten zur Stabilisierung des Finanzsystems konnte sich die US-Wirtschaft ab der zweiten Jahreshälfte 2009 wieder aus der Rezession befreien. Die Politiker der Eurozone hingegen lehnten geldpolitische Stimuli ab und führten Haushaltssparmaßnahmen ein, während sie die immer größeren Probleme ihrer Banken ignorierten. So stieß die Eurozone die Welt in eine zweite globale Rezession.
Gerade als diese Rezession wieder beendet schien, kamen die Entwicklungs- und Schwellenländer ins Schleudern. Seit Jahren hatten Beobachter die angeblichen Regierungs- und Wachstumsreformen dieser Länder gelobt. Im Oktober 2012 feierte der IWF deren „Widerstandskraft“. Als sei dies das Stichwort gewesen, begann die Fassade zu bröckeln und eine unangenehme Wahrheit freizulegen: Faktoren wie hohe Rohstoffpreise und massive Kapitalzuflüsse hatten ernste wirtschaftliche Schwächen verschleiert und zu einer Kultur massiver Ungleichheit und ausufernder Korruption beigetragen.
Kurz gesagt, die Faktoren, die die Weltwirtschaft im Jahr 2015 belastet haben, werden im neuen Jahr auch weiterhin bestehen – und sich in einigen Fällen sogar intensivieren. Die Wirtschaft der Entwicklungs- und Schwellenländer wird schwach bleiben. Die Eurozone wird nach einem kurzen Aufschub der Sparmaßnahmen durch den lahmenden Welthandel gebremst. Steigende Zinsen bei den Unternehmensanleihen sind ein Hinweis auf langsameres Wachstum in den USA. Der Zusammenbruch der Vermögenswerte in China könnte finanzielle Turbulenzen auslösen. Und den Politiker, die einfach dahintreiben, mangelt es an politischen Handlungsmöglichkeiten gegen diese Trends.
Der IWF sollte aufhören, neues Wachstum zu prophezeien, und statt dessen davor warnen, dass die Weltwirtschaft schwach und verletzlich bleibt, wenn die Politiker weltweit nicht energisch handeln, um Innovationen und Wachstum zu fördern. Für solche Bemühungen ist es höchste Zeit.
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Israeli Prime Minister Binyamin Netanyahu's decision to fire the country's internal security chief has raised suspicions, given that the move comes just after the launch of an investigation into a new scandal involving his own aides. Israelis are right to worry that they could now be heading for a constitutional crisis.
explains the latest scandal to hit Israel's increasingly illiberal, norm-breaking government.
The Global South is increasingly at risk of growing old before becoming rich, which implies huge social and economic costs. To avert this outcome, the Hevolution Foundation, a nonprofit backed by the Saudi royal family, has begun to support research focused on lengthening healthspans – the period of life spent in good health.
explains why increasing “healthspans” to match lifespans is a moral and economic imperative.
WASHINGTON, DC – Im letzten April prognostizierte der Internationale Währungsfonds, die Weltwirtschaft werde 2015 um 3,5% wachsen.. In den Folgemonaten wurde diese Vorhersage immer weiter gesenkt und erreichte im Oktober 3,1%.. Aber der IWF behauptet weiterhin mit fast banaler Vorhersagbarkeit – wie bereits in den letzten sieben Jahren – das nächste Jahr werde besser. Und er wird damit fast sicher wieder daneben liegen.
Zunächst einmal wächst der Welthandel jährlich nur um magere 2%, verglichen mit 8% von in den Jahren von 2003 bis 2007. Während das Wachstum des Handels in diesen Jahren dasjenige des BIP (durchschnittlich 4,5%) weit übertroffen hat, sind die beiden Werte in letzter Zeit etwa gleich. Selbst wenn das BIP-Wachstum das Handelswachstum in diesem Jahr übertreffen sollte, wird es doch kaum über 2,7% liegen.
Die Frage ist: Warum? Laut Christina und David Romer von der University of California, Berkeley, flauen die Nachwirkungen moderner Finanzkrisen – seit dem Zweiten Weltkrieg– nach zwei bis drei Jahren ab. Die Harvard-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff sagen, ein Land brauche fünf Jahre, um sich von einer Finanzkrise zu erholen. Und tatsächlich sind die finanziellen Verwerfungen von 2007-2008 größtenteils abgeklungen. Was also ist der Grund für die zähe wirtschaftliche Erholung?
Eine populäre Erklärung liegt in der verschwommenen Wahrnehmung einer „säkularen Stagnation“: Die langfristig schwache Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen unterminiert die Anreize für Investitionen und Neueinstellungen. Aber die Nachfrage bleibt nur schwach, wenn die Menschen zu wenig Vertrauen in die Zukunft haben. Wie Robert Gordon von der Northwestern University akribisch aufgezeichnet und argumentiert hat, besteht die einzige logische Erklärung für diesen anhaltenden Vertrauensmangel im langsamen Produktivitätswachstum.
Vor der Krise – und insbesondere von 2003 bis 2007 – wurde dieses langsame Produktivitätswachstum in großen Teilen der Welt durch ein illusionäres Gefühl von Wohlstand verschleiert. In einigen Ländern – darunter hauptsächlich den Vereinigten Staaten, Spanien und Irland – haben sich steigende Immobilienpreise, spekulativer Neubau und finanzielle Risikobereitschaft gegenseitig verstärkt. Gleichzeitig haben die Länder ihr Wachstum durch gegenseitigen Handel erhöht.
Im Zentrum des globalen Booms stand China, der erwachende Riese, der die Welt mit billigen Exporten überflutete und damit die weltweite Inflation niedrig hielt. Ebenso wichtig war, dass China enorme Mengen von Rohstoffen importierte und damit viele afrikanische und lateinamerikanische Volkswirtschaften unterstützte. Auch kaufte das Land deutsche Autos und Maschinen und hielt damit die regionalen Angebotsketten der größten europäischen Volkswirtschaft am Laufen.
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Diese Dynamik kehrte sich etwa im März 2008 um, als die USA ihre fünftgrößte Investmentbank, Bear Sterns, vor dem Zusammenbruch retteten. Da auch die Banken der Eurozone tief im Subprime-Hypothekenschlamassel steckten und unter einem verzweifelten Mangel an US-Dollar litten, rutschten Amerika und große Teile Europas, gnadenlos in die Rezession. Während der Welthandel in den Boom-Jahren zum Aufschwung beitrug, verbreitete er nun den Niedergang. Mit der Verlangsamung des BIP-Wachstums gingen auch die Importe der einzelnen Länder zurück, was dazu führte, dass sich auch das Wachstum der jeweiligen Handelspartner abschwächte.
Dank aggressiver Geldpolitik und Schritten zur Stabilisierung des Finanzsystems konnte sich die US-Wirtschaft ab der zweiten Jahreshälfte 2009 wieder aus der Rezession befreien. Die Politiker der Eurozone hingegen lehnten geldpolitische Stimuli ab und führten Haushaltssparmaßnahmen ein, während sie die immer größeren Probleme ihrer Banken ignorierten. So stieß die Eurozone die Welt in eine zweite globale Rezession.
Gerade als diese Rezession wieder beendet schien, kamen die Entwicklungs- und Schwellenländer ins Schleudern. Seit Jahren hatten Beobachter die angeblichen Regierungs- und Wachstumsreformen dieser Länder gelobt. Im Oktober 2012 feierte der IWF deren „Widerstandskraft“. Als sei dies das Stichwort gewesen, begann die Fassade zu bröckeln und eine unangenehme Wahrheit freizulegen: Faktoren wie hohe Rohstoffpreise und massive Kapitalzuflüsse hatten ernste wirtschaftliche Schwächen verschleiert und zu einer Kultur massiver Ungleichheit und ausufernder Korruption beigetragen.
Diese Probleme werden nun durch die Abschwächung des Wachstums in China verstärkt, des Dreh- und Angelpunkts des globalen Handels. Und das Schlimmste steht uns noch bevor. Chinas enorme industrielle Überkapazität und Immobilienschwemme muss abgebaut, die Hybris der weltweiten Zukäufe des Landes gezähmt und die chinesischen Korruptionsnetzwerke aufgebrochen werden.
Kurz gesagt, die Faktoren, die die Weltwirtschaft im Jahr 2015 belastet haben, werden im neuen Jahr auch weiterhin bestehen – und sich in einigen Fällen sogar intensivieren. Die Wirtschaft der Entwicklungs- und Schwellenländer wird schwach bleiben. Die Eurozone wird nach einem kurzen Aufschub der Sparmaßnahmen durch den lahmenden Welthandel gebremst. Steigende Zinsen bei den Unternehmensanleihen sind ein Hinweis auf langsameres Wachstum in den USA. Der Zusammenbruch der Vermögenswerte in China könnte finanzielle Turbulenzen auslösen. Und den Politiker, die einfach dahintreiben, mangelt es an politischen Handlungsmöglichkeiten gegen diese Trends.
Der IWF sollte aufhören, neues Wachstum zu prophezeien, und statt dessen davor warnen, dass die Weltwirtschaft schwach und verletzlich bleibt, wenn die Politiker weltweit nicht energisch handeln, um Innovationen und Wachstum zu fördern. Für solche Bemühungen ist es höchste Zeit.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff