Viele Jahre lang wurde angenommen, dass alle unsere Gehirnzellen (Neuronen) vor der Geburt entstehen oder, in Ausnahmefällen, bis zu ein oder zwei Jahre nach der Geburt, dann sollte dieser Prozess angeblich beendet sein. Von da an, so die Überzeugung der meisten Hirnforscher, konnten neuronale Schaltkreise nur durch eine Veränderung der Synapsen oder Kontakte zwischen existierenden Zellen modifiziert werden. Dieser Sichtweise zufolge stellte die Gesamtzahl der Zellen, anatomisch durch ihre Funktion und die Bildung wichtiger Bahnen organisiert, die “Hardware” des Gehirns dar. Der detaillierte Charakter der Beziehungen der Zellen untereinander, die modifizierbaren Synapsen, stellte die Software dar.
In den Sechzigerjahren deuteten erste Anzeichen darauf hin, dass Neuronen möglicherweise nach diesem frühen Zeitraum und sogar im Erwachsenenalter hinzukommen. Im Verlauf der Achtzigerjahre bestätigten sich diese Hinweise basierend auf Beobachtungen, die während der Untersuchung von Teilen des Singvogelgehirns im Zusammenhang mit der Aneignung und Erzeugung von Gesang erfolgten. Die ursprünglichen Beobachtungen wurden skeptisch aufgenommen, doch die Daten des Vogelgesangs erwiesen sich als überzeugend.
Wie beweist man, dass ein Neuron zu einer bestimmten Zeit entstanden ist? Jede Zelle im Körper enthält DNA, die für die Produktion der Proteine verantwortlich ist, die für das Funktionieren einer Zelle erforderlich sind. Obwohl alle Zellen im Körper die gleiche DNA besitzen, kommt in jeder Zellart nur eine Teilmenge der in der DNA verschlüsselten Gene zum Ausdruck, was den Unterschied zwischen, nehmen wir mal an, einer Hautzelle, einer Leberzelle und einer Gehirnzelle erklärt.
Wenn eine Zelle im Begriff ist sich zu teilen, so etwa beim Wachstum von Gewebe, muss die DNA in der Mutterzelle verdoppelt werden, das heißt neue DNA wird synthetisiert. Es ist möglich, die Zelle mit einem der Bausteine der neuen DNA auszustatten und diesen Baustein mit einer kleinen radioaktiven Markierung zu versehen. Jedes Mal, wenn wir dann später das Gehirn durchsuchen und eine markierte Zelle finden, wissen wir, dass diese zu dem Zeitpunkt entstanden ist, als wir die DNA damit ausgestattet haben.
Als wir ausgewachsene Kanarienvögel mit dem markierten DNA-Baustein versahen und dann nach markierten Neuronen suchten, die ein oder zwei Tage zuvor entstanden sein sollten, fanden wir keine. Wenn wir aber länger warteten – zum Beispiel eine bis drei Wochen, je nach Gehirnbereich – fanden wir eine ganze Reihe markierter Neuronen. So erfuhren wir, dass die neuen Nervenzellen nicht durch die Teilung existierender Neuronen, sondern anderswo im Gehirn entstanden waren und eine Wanderphase durchliefen während der sie nicht als Neuronen erkannt wurden. Es dauerte mindestens eine Woche bis die ersten neuen Neuronen ihren Bestimmungsort erreichten und die äußeren Merkmale eines ausgereiften Neurons angenommen hatten.
Schließlich lernten wir, wie wir die zukünftigen Neuronen während ihrer Wanderung identifizieren konnten. Sie waren in dieser Phase viel kleiner und hatten eine gestreckte Form, die es ihnen ermöglichte zwischen anderen Zellen hindurchzuschlüpfen. Es war eine große Überraschung herauszufinden, dass die Zellen, die die neuen Neuronen produzierten, zu einem als “radiale Glia” bezeichneten Typus gehörten, von dem man angenommen hatte, dass er im Erwachsenalter nicht vorkommt und von dem man nicht wusste, dass er Neuronen produziert.
Eine der Paradoxien dieses Prozesses besteht darin, dass die Gesamtzahl der Hirnzellen bei ausgewachsenen Vögeln und Säugetieren bemerkenswert konstant bleibt. Die neuen Nervenzellen ersetzen ältere der gleichen Art, die absterben – ein Prozess der natürlichen Verjüngung.
In der Natur gibt es keine Krankenhäuser. Der plötzliche Verlust vieler Gehirnzellen infolge eines Schlaganfalls oder einer Verletzung muss sich erheblich auf das Überleben eines Tieres auswirken. Es hat den Anschein, dass die Ersetzung von Nervenzellen im erwachsenen Gehirn nicht entstanden ist, um durch Krankheit oder Verletzungen hervorgerufene Verluste auszugleichen, sondern als ein Prozess der stetigen Erneuerung, bei dem jeden Tag einige Zellen ersetzt werden.
Diese Vorstellung ist so neuartig, dass sie einer weiteren Erläuterung bedarf. Im erwachsenen Singvogelgehirn können wir jederzeit viele kleine wandernde Neuronen aufspüren, die bereit sind abgestorbene Zellen zu ersetzen. Nur eine von dreien findet einen neuen “Arbeitsplatz”, doch die Überproduktion scheint sich zu lohnen, denn wenn eine ersetzbare Nervenzelle stirbt, sorgt die Überproduktion dafür, dass sich in ihrer Nähe bereits eine jüngere Zelle aufhält, die bereit ist ihren Platz einzunehmen. Soweit bekannt ist gehört nur ein kleiner Bruchteil aller Gehirnzellen in die Kategorie der ersetzbaren Zellen; wenn andere Arten von Neuronen sterben, werden sie nicht ersetzt.
Wir wissen jetzt, dass das Gehirn das Potenzial hat neue Hirnzellen zu bilden, um andere zu ersetzen, die abgestorben sind. Dieses Potenzial könnte zur Reparatur beschädigter Schaltkreise genutzt werden. Labors auf aller Welt versuchen Möglichkeiten zu entwickeln dieses Wissen in klinischen Situationen anzuwenden. Der Kunstgriff wird darin bestehen, das Gehirn zu veranlassen jede möglicherweise benötigte Nervenzelle zu produzieren und an den richtigen Bestimmungsort zu bringen, damit neue Zellen des erforderlichen Typs, unabhängig von der Zellklasse, andere der gleichen Art ersetzen können, die abgestorben sind. Dieses Ziel ist fern.
Viele Jahre lang wurde angenommen, dass alle unsere Gehirnzellen (Neuronen) vor der Geburt entstehen oder, in Ausnahmefällen, bis zu ein oder zwei Jahre nach der Geburt, dann sollte dieser Prozess angeblich beendet sein. Von da an, so die Überzeugung der meisten Hirnforscher, konnten neuronale Schaltkreise nur durch eine Veränderung der Synapsen oder Kontakte zwischen existierenden Zellen modifiziert werden. Dieser Sichtweise zufolge stellte die Gesamtzahl der Zellen, anatomisch durch ihre Funktion und die Bildung wichtiger Bahnen organisiert, die “Hardware” des Gehirns dar. Der detaillierte Charakter der Beziehungen der Zellen untereinander, die modifizierbaren Synapsen, stellte die Software dar.
In den Sechzigerjahren deuteten erste Anzeichen darauf hin, dass Neuronen möglicherweise nach diesem frühen Zeitraum und sogar im Erwachsenenalter hinzukommen. Im Verlauf der Achtzigerjahre bestätigten sich diese Hinweise basierend auf Beobachtungen, die während der Untersuchung von Teilen des Singvogelgehirns im Zusammenhang mit der Aneignung und Erzeugung von Gesang erfolgten. Die ursprünglichen Beobachtungen wurden skeptisch aufgenommen, doch die Daten des Vogelgesangs erwiesen sich als überzeugend.
Wie beweist man, dass ein Neuron zu einer bestimmten Zeit entstanden ist? Jede Zelle im Körper enthält DNA, die für die Produktion der Proteine verantwortlich ist, die für das Funktionieren einer Zelle erforderlich sind. Obwohl alle Zellen im Körper die gleiche DNA besitzen, kommt in jeder Zellart nur eine Teilmenge der in der DNA verschlüsselten Gene zum Ausdruck, was den Unterschied zwischen, nehmen wir mal an, einer Hautzelle, einer Leberzelle und einer Gehirnzelle erklärt.
Wenn eine Zelle im Begriff ist sich zu teilen, so etwa beim Wachstum von Gewebe, muss die DNA in der Mutterzelle verdoppelt werden, das heißt neue DNA wird synthetisiert. Es ist möglich, die Zelle mit einem der Bausteine der neuen DNA auszustatten und diesen Baustein mit einer kleinen radioaktiven Markierung zu versehen. Jedes Mal, wenn wir dann später das Gehirn durchsuchen und eine markierte Zelle finden, wissen wir, dass diese zu dem Zeitpunkt entstanden ist, als wir die DNA damit ausgestattet haben.
Als wir ausgewachsene Kanarienvögel mit dem markierten DNA-Baustein versahen und dann nach markierten Neuronen suchten, die ein oder zwei Tage zuvor entstanden sein sollten, fanden wir keine. Wenn wir aber länger warteten – zum Beispiel eine bis drei Wochen, je nach Gehirnbereich – fanden wir eine ganze Reihe markierter Neuronen. So erfuhren wir, dass die neuen Nervenzellen nicht durch die Teilung existierender Neuronen, sondern anderswo im Gehirn entstanden waren und eine Wanderphase durchliefen während der sie nicht als Neuronen erkannt wurden. Es dauerte mindestens eine Woche bis die ersten neuen Neuronen ihren Bestimmungsort erreichten und die äußeren Merkmale eines ausgereiften Neurons angenommen hatten.
Schließlich lernten wir, wie wir die zukünftigen Neuronen während ihrer Wanderung identifizieren konnten. Sie waren in dieser Phase viel kleiner und hatten eine gestreckte Form, die es ihnen ermöglichte zwischen anderen Zellen hindurchzuschlüpfen. Es war eine große Überraschung herauszufinden, dass die Zellen, die die neuen Neuronen produzierten, zu einem als “radiale Glia” bezeichneten Typus gehörten, von dem man angenommen hatte, dass er im Erwachsenalter nicht vorkommt und von dem man nicht wusste, dass er Neuronen produziert.
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Eine der Paradoxien dieses Prozesses besteht darin, dass die Gesamtzahl der Hirnzellen bei ausgewachsenen Vögeln und Säugetieren bemerkenswert konstant bleibt. Die neuen Nervenzellen ersetzen ältere der gleichen Art, die absterben – ein Prozess der natürlichen Verjüngung.
In der Natur gibt es keine Krankenhäuser. Der plötzliche Verlust vieler Gehirnzellen infolge eines Schlaganfalls oder einer Verletzung muss sich erheblich auf das Überleben eines Tieres auswirken. Es hat den Anschein, dass die Ersetzung von Nervenzellen im erwachsenen Gehirn nicht entstanden ist, um durch Krankheit oder Verletzungen hervorgerufene Verluste auszugleichen, sondern als ein Prozess der stetigen Erneuerung, bei dem jeden Tag einige Zellen ersetzt werden.
Diese Vorstellung ist so neuartig, dass sie einer weiteren Erläuterung bedarf. Im erwachsenen Singvogelgehirn können wir jederzeit viele kleine wandernde Neuronen aufspüren, die bereit sind abgestorbene Zellen zu ersetzen. Nur eine von dreien findet einen neuen “Arbeitsplatz”, doch die Überproduktion scheint sich zu lohnen, denn wenn eine ersetzbare Nervenzelle stirbt, sorgt die Überproduktion dafür, dass sich in ihrer Nähe bereits eine jüngere Zelle aufhält, die bereit ist ihren Platz einzunehmen. Soweit bekannt ist gehört nur ein kleiner Bruchteil aller Gehirnzellen in die Kategorie der ersetzbaren Zellen; wenn andere Arten von Neuronen sterben, werden sie nicht ersetzt.
Wir wissen jetzt, dass das Gehirn das Potenzial hat neue Hirnzellen zu bilden, um andere zu ersetzen, die abgestorben sind. Dieses Potenzial könnte zur Reparatur beschädigter Schaltkreise genutzt werden. Labors auf aller Welt versuchen Möglichkeiten zu entwickeln dieses Wissen in klinischen Situationen anzuwenden. Der Kunstgriff wird darin bestehen, das Gehirn zu veranlassen jede möglicherweise benötigte Nervenzelle zu produzieren und an den richtigen Bestimmungsort zu bringen, damit neue Zellen des erforderlichen Typs, unabhängig von der Zellklasse, andere der gleichen Art ersetzen können, die abgestorben sind. Dieses Ziel ist fern.