BRÜSSEL – Große Imperien werden selten durch Angriffe von außen zerstört. Aber oft zerbrechen sie unter dem Gewicht interner Differenzen. Diese könnten auch die Eurozone gefährden.
Makroökonomische Schlüsselindikatoren zeigen für die Eurozone als Ganze keinen Anlass für ein Problem. Im Gegenteil: Ihre Leistungsbilanz ist ausgeglichen, das heißt, sie hat genug Ressourcen, ihre Probleme mit den öffentlichen Finanzen selbst zu lösen. In dieser Beziehung steht die Eurozone im Vergleich zu anderen großen Währungsräumen wie den USA oder Großbritannien gut da. Letztere haben externe Defizite und sind daher abhängig von ständigen Kapitalzuflüssen.
Auch in finanzpolitischer Hinsicht ist die Eurozone insgesamt ziemlich stark. Sie hat ein viel geringeres Haushaltsdefizit als die USA (4% des BIP, im Gegensatz zu 10% in den USA).
Es wurde viel über das schwache europäische Wachstum geschrieben, aber alles in allem ist dies gar nicht so schlecht. Im letzten Jahrzehnt war das pro-Kopf-Wachstum in den USA und der Eurozone beinahe gleich.
Angesichts der relativ starken Fundamentaldaten der Eurozone ist es viel zu früh, den Euro abzuschreiben. Da aber die europäischen Politiker endlose Fähigkeiten zu besitzen scheinen, die Lage zu verschlimmern, hat sich die Krise enorm verschärft.
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Das Problem besteht in der internen Verteilung von Ersparnissen und Finanzinvestitionen: Obwohl die Eurozone über genug Ersparnisse verfügt, alle Defizite zu finanzieren, geraten einige Länder ins Schleudern, da die Ersparnisse nicht mehr über die Grenzen hinweg fließen. Nördlich der Alpen besteht ein Überschuss an Ersparnissen, aber die nordeuropäischen Sparer möchten die südlichen Länder wie Italien, Spanien und Griechenland nicht finanzieren.
Deshalb bleibt die Risikoprämie auf die Schulden von Italien und anderen südeuropäischen Staaten bei 450-500 Basispunkten, und die deutsche Regierung kann kurzfristige Anleihen zu Zinssätzen nahe Null herausgeben. Die Wurzel des Problems besteht darin, dass sich die nordeuropäischen Sparer weigern, in die Peripherie der Eurozone zu investieren.
Wie kann man also den nordeuropäischen “Investorenstreik” beenden?
Die deutsche Position scheint in der Meinung zu bestehen, dass die Finanzmärkte Italien dann zu akzeptablen Zinsen finanzieren, wenn die Politik des Landes vernünftig ist. Wenn Italiens Kreditkosten weiter hoch bleiben, soll sich das Land eben mehr anstrengen.
Die italienische Position könnte so beschrieben werden: “Wir versuchen, unser Menschenmöglichstes dafür zu tun, unser Defizit zu beseitigen, aber wir haben ein Problem mit der Refinanzierung unserer Schulden.”
Die deutsche Regierung könnte das Problem natürlich dadurch lösen, dass sie sich bereit erklären würde, für sämtliche italienischen, spanischen und sonstigen Schulden zu garantieren. Aber verständlicherweise möchte sie kein so hohes Risiko auf sich nehmen – obwohl es natürlich auch sehr riskant ist, diese Garantie für die südeuropäischen Staatsschulden nicht zu übernehmen.
Die EZB könnte das Problem lösen, indem sie als Käufer der letzten Instanz für die von den Finanzmärkten gemiedenen Kredite auftritt. Aber auch sie ist verständlicherweise unwillig, das Risiko zu übernehmen – und diese Pattsituation macht die Märkte nervös und gefährdet das Überleben des Euro.
Einen Schuldenüberhang zu bearbeiten, war schon immer eine der größten Herausforderungen für Politiker. In der Antike wurde der Konflikt zwischen Kreditgebern und Schuldnern oft gewaltsam ausgetragen, da die Alternative zur Schuldenbefreiung in der Sklaverei bestand. Im heutigen Europa findet dieser Konflikt auf zivilisiertere Weise Ausdruck in Resolutionen des europäischen Rats und internen EZB-Diskussionen.
Aber der Konflikt selbst bleibt ungelöst. Sollte der Euro scheitern, wird es nicht daran liegen, dass es keine Lösung gegeben hätte, sondern daran, dass die Politiker nicht das Nötige getan haben.
Das langfristige Überleben des Euro erfordert die richtige Mischung von Anpassung durch die Kreditgeber, und wenn dies nicht mehr genügt, einen Schuldenerlass. Weiterhin ist eine Überbrückungsfinanzierung nötig, um die nervösen Finanzmärkte davon zu überzeugen, dass die Schuldner über genügend Zeit bis zur Wirkung der Maßnahmen verfügen. Die Ressourcen sind vorhanden. Europa braucht den nötigen politischen Willen, um sie zu mobilisieren.
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World order is a matter of degree: it varies over time, depending on technological, political, social, and ideological factors that can affect the global distribution of power and influence norms. It can be radically altered both by broader historical trends and by a single major power's blunders.
examines the role of evolving power dynamics and norms in bringing about stable arrangements among states.
Donald Trump has left no doubt that he wants to build an authoritarian, illiberal world order based on traditional spheres of influence and agreements with other illiberal leaders. The only role that the European Union plays in his script is an obstacle that must be pushed aside.
warns that the European Union has no place in Donald Trump’s illiberal worldview.
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BRÜSSEL – Große Imperien werden selten durch Angriffe von außen zerstört. Aber oft zerbrechen sie unter dem Gewicht interner Differenzen. Diese könnten auch die Eurozone gefährden.
Makroökonomische Schlüsselindikatoren zeigen für die Eurozone als Ganze keinen Anlass für ein Problem. Im Gegenteil: Ihre Leistungsbilanz ist ausgeglichen, das heißt, sie hat genug Ressourcen, ihre Probleme mit den öffentlichen Finanzen selbst zu lösen. In dieser Beziehung steht die Eurozone im Vergleich zu anderen großen Währungsräumen wie den USA oder Großbritannien gut da. Letztere haben externe Defizite und sind daher abhängig von ständigen Kapitalzuflüssen.
Auch in finanzpolitischer Hinsicht ist die Eurozone insgesamt ziemlich stark. Sie hat ein viel geringeres Haushaltsdefizit als die USA (4% des BIP, im Gegensatz zu 10% in den USA).
Ein weiteres Zeichen von Schwäche und häufiges Anzeichen für Verfall und Zusammenbruch ist die Wertminderung der Währung. Aber auch dies ist für die Eurozone kein Problem – die Inflationsrate bleibt niedrig und unterhalb derer der USA und Großbritanniens. Darüber hinaus besteht keine besondere Gefahr einer Steigerung, da die Lohnforderungen gering bleiben und die Europäische Zentralbank kaum unter Druck steht, die niedrigen Defizite zu finanzieren, die voraussichtlich in den nächsten Jahren völlig verschwinden. Die Refinanzierung von Staatsschulden wirkt nicht inflationär, da sie keine neue Kaufkraft schafft. Die EZB ist lediglich eine “zentrale Gegenpartei” zwischen risikoscheuen deutschen Sparern und der italienischen Regierung.
Es wurde viel über das schwache europäische Wachstum geschrieben, aber alles in allem ist dies gar nicht so schlecht. Im letzten Jahrzehnt war das pro-Kopf-Wachstum in den USA und der Eurozone beinahe gleich.
Angesichts der relativ starken Fundamentaldaten der Eurozone ist es viel zu früh, den Euro abzuschreiben. Da aber die europäischen Politiker endlose Fähigkeiten zu besitzen scheinen, die Lage zu verschlimmern, hat sich die Krise enorm verschärft.
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Das Problem besteht in der internen Verteilung von Ersparnissen und Finanzinvestitionen: Obwohl die Eurozone über genug Ersparnisse verfügt, alle Defizite zu finanzieren, geraten einige Länder ins Schleudern, da die Ersparnisse nicht mehr über die Grenzen hinweg fließen. Nördlich der Alpen besteht ein Überschuss an Ersparnissen, aber die nordeuropäischen Sparer möchten die südlichen Länder wie Italien, Spanien und Griechenland nicht finanzieren.
Deshalb bleibt die Risikoprämie auf die Schulden von Italien und anderen südeuropäischen Staaten bei 450-500 Basispunkten, und die deutsche Regierung kann kurzfristige Anleihen zu Zinssätzen nahe Null herausgeben. Die Wurzel des Problems besteht darin, dass sich die nordeuropäischen Sparer weigern, in die Peripherie der Eurozone zu investieren.
Wie kann man also den nordeuropäischen “Investorenstreik” beenden?
Die deutsche Position scheint in der Meinung zu bestehen, dass die Finanzmärkte Italien dann zu akzeptablen Zinsen finanzieren, wenn die Politik des Landes vernünftig ist. Wenn Italiens Kreditkosten weiter hoch bleiben, soll sich das Land eben mehr anstrengen.
Die italienische Position könnte so beschrieben werden: “Wir versuchen, unser Menschenmöglichstes dafür zu tun, unser Defizit zu beseitigen, aber wir haben ein Problem mit der Refinanzierung unserer Schulden.”
Die deutsche Regierung könnte das Problem natürlich dadurch lösen, dass sie sich bereit erklären würde, für sämtliche italienischen, spanischen und sonstigen Schulden zu garantieren. Aber verständlicherweise möchte sie kein so hohes Risiko auf sich nehmen – obwohl es natürlich auch sehr riskant ist, diese Garantie für die südeuropäischen Staatsschulden nicht zu übernehmen.
Die EZB könnte das Problem lösen, indem sie als Käufer der letzten Instanz für die von den Finanzmärkten gemiedenen Kredite auftritt. Aber auch sie ist verständlicherweise unwillig, das Risiko zu übernehmen – und diese Pattsituation macht die Märkte nervös und gefährdet das Überleben des Euro.
Einen Schuldenüberhang zu bearbeiten, war schon immer eine der größten Herausforderungen für Politiker. In der Antike wurde der Konflikt zwischen Kreditgebern und Schuldnern oft gewaltsam ausgetragen, da die Alternative zur Schuldenbefreiung in der Sklaverei bestand. Im heutigen Europa findet dieser Konflikt auf zivilisiertere Weise Ausdruck in Resolutionen des europäischen Rats und internen EZB-Diskussionen.
Aber der Konflikt selbst bleibt ungelöst. Sollte der Euro scheitern, wird es nicht daran liegen, dass es keine Lösung gegeben hätte, sondern daran, dass die Politiker nicht das Nötige getan haben.
Das langfristige Überleben des Euro erfordert die richtige Mischung von Anpassung durch die Kreditgeber, und wenn dies nicht mehr genügt, einen Schuldenerlass. Weiterhin ist eine Überbrückungsfinanzierung nötig, um die nervösen Finanzmärkte davon zu überzeugen, dass die Schuldner über genügend Zeit bis zur Wirkung der Maßnahmen verfügen. Die Ressourcen sind vorhanden. Europa braucht den nötigen politischen Willen, um sie zu mobilisieren.